Wie Social Media unser Selbstbild beeinflusst
Starnberg, April 2021. Flacher Bauch, perfekte Sommerbräune und glänzende Haarpracht: im echten Leben kaum zu erreichen – auf Instagram längst „Realität“. Insbesondere junge Menschen perfektionieren ihr Aussehen in den sozialen Netzwerken und präsentieren mithilfe von Filtern ihr virtuelles Ideal, dessen reales Gegenstück häufig davon abweicht. „Was im Netz schön aussieht, kann auf Dauer aber psychisch krank machen“, weiß Dr. med. Joachim Graf von Finckenstein, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie und medizinischer Leiter der Praxisklinik in den Seearkaden Starnberg.
Schön wie Promis?
Während es früher nur Filmstars oder Frauen auf Magazincovern möglich war, sich nachträglich aufhübschen zu lassen, hat heute jede die Möglichkeit – durch Instagram- und Snapchat-Filter oder durch Bearbeitungsprogramme wie Photoshop –, das eigene Selfie zu perfektionieren. Diese Entwicklung erhöht den Selbstoptimierungsdruck und kann im schlimmsten Fall sogar zu psychischen Erkrankungen führen.
„Insbesondere junge Frauen kommen häufig zu plastischen Chirurgen, um Veränderungen vornehmen zu lassen, damit sie ihrem retuschierten Selfie ähnlicher sehen“, erklärt Dr. Finckenstein und erläutert: „Mittlerweile verschiebt sich die Auffassung von Schönheit in vielen Fällen zu einer unerreichbaren Vorstellung, die nichts mehr mit Natürlichkeit zu tun hat.“ Die meisten bearbeiteten Bilder dieser Patientinnen zeigen dank Filter sehr große Augen, auffallend hohe Wangenknochen und extrem volle Lippen.
Immer besser, immer schöner
Zwar bietet die moderne plastische Chirurgie mittlerweile viele Möglichkeiten, persönliche Wünsche medizinisch und ästhetisch umzusetzen, doch Operationen sollten Patienten nur aus wirklich ernsthaften Motiven anstreben. „Dies trifft zu, wenn jemand aufgrund seines Übergewichts – möglicherweise sogar durch ein schmerzhaftes Lipödem bedingt oder durch eine Brustdeformität, wie Asymmetrie oder zu großer Brust – zu Ausgrenzungen durch andere kommt. Beide Beispiele können jeweils einen Grund für einen Eingriff darstellen, da sie psychisch sehr belastend sind“, weiß der Beauty-Spezialist aus Starnberg und betont: „Meine Patienten sollen sich wohler in ihrer Haut fühlen und nicht unnötigen Idealen nacheifern.“ Körperliche oder seelische Probleme liegen bei vielen Social-Media-Nutzerinnen aber nicht vor – vielmehr suchen Betroffene aktiv nach vermeintlichen Makeln wie asymmetrischen Augenbrauen oder kleinen Fältchen, indem sie sich mit dem unrealistischen und retuschierten Abbild ihrer Vorbilder vergleichen. Betroffene dieser sogenannten Body Dysmorphic Disorder wenden oftmals Stunden auf, um noch so geringe Makel zu optimieren. „Um diesen Menschen zu helfen, bedarf es jedoch psychologischer Beratung und keines Chirurgen“, erklärt Dr. Finckenstein und sagt: „Nur wenn Wünsche realisierbar sind und ein Eingriff im Verhältnis zum eigentlichen Leid steht, ziehe ich eine chirurgische Behandlung in Betracht. Betroffene sollten nicht vergessen, dass auch kleine Operationen immer mit Risiken einhergehen.“